Fast jeder von uns hat schon einmal selbst Kresse angebaut. Manche Menschen ziehen eigene Kräuter auf der Fensterbank, wieder andere bauen Hochbeete in ihren Garten und manch einer hat sogar einen eigenen Nutzgarten.

Wie und ob Du dafür sorgen kannst, dass Du wirklich nur von Deinen selbst angebauten Lebensmitteln leben kannst, dass verrät Dir unsere Gastautorin und Selbstversorgerin Anke Schmidt.


Im ersten Teil der Serie „Tipps für Selbstversorger“ bekommst Du von Anke einige Tipps für den Start in das Leben als Selbstversorger, egal, wo Du wohnst – ob Großstadt oder kleines Dorf – und auch wenn Du nur eine kleine Fläche zu Verfügung hast. Wenn Du wirklich größtenteils von Deinen selbst angebauten Lebensmitteln leben möchtest, gibt es aber noch viele weitere Dinge zu beachten: wie das Anlegen einer Vorratskammer, richtiges Lagern von Lebensmitteln, die Fläche, die Du brauchst, um alles anzubauen und vor allem auch die Entscheidung, willst Du selbst Tiere halten und schlachten oder nicht?

5 Dinge, die Du als Selbstversorger*in berücksichtigen musst

1. Lege vor dem Start fest, wie groß Dein Garten sein soll.

Möchtest Du Dich zu 100 % mit Obst und Gemüse selbst versorgen, dann solltest Du eine Fläche von 160 m² pro Person zur Verfügung stehen haben. Am meisten Fläche benötigt Obst, da Bäume sehr groß werden und Du zum Beispiel auch von Erdbeeren viele Pflanzen halten musst, um eine ausreichende Ernte zu erlangen. Obst braucht circa 100 m² des Gartens, der Rest bleibt dann für das Gemüse.

Du kannst den Flächenbedarf auch ein wenig verringern, indem Du zum Beispiel einen Teil als vertikalen Garten anlegst. Möchtest Du Dich nur teilweise selbst versorgen reicht auch eine kleinere Fläche:

Flächenbedarf für die Selbstversorgung
  • Teilweise Selbstversorgung: 25 m² Anbaufläche pro Person
  • Weitgehende Selbstversorgung: 70 m² pro Person
  • Vollständige Selbstversorgung: mind. 160 m² pro Person
  • 2. Plane den Anbau gründlich bevor Du beginnst.

    Willst Du nur Dein eigenes Obst und Gemüse anbauen oder noch mehr? Bevor Du startest gibt es einige Entscheidungen zu treffen. Willst Du selbst Hühner halten, um eigene Eier essen zu können? Willst Du die Hühner schlachten? Dann benötigst Du ausreichend zusätzliche Fläche für einen Stall und Auslauf. Möchtest Du Getreide anbauen, bedarf auch das viel zusätzlichen Platz. Außerdem ist die Verarbeitung, wie etwa das Ernten und Dreschen sehr aufwändig für Anfänger.

    Für die Bewässerung Deiner Lebensmittel wirst Du viel Wasser benötigen, vor allem beim Aussäen bzw. Anpflanzen und bei Trockenheit im Sommer. Vielleicht gibt es die Möglichkeit, dass Du auf Deinem Grundstück einen direkten Grundwasserzugang, einen sogenannten Gartenbrunnen, anlegen lässt. Alternativ lässt sich auch mit einem separaten Gartenwasserzähler einiges an Geld sparen.

    3. Umweltfreundlicher Anbau

    Auch beim Anbau von eigenen Lebensmitteln kannst Du einige Aspekte in Richtung Nachhaltigkeit beachten. Angefangen beim Düngen. Düngemittel können Schadstoffe und Schwermetalle enthalten, die unsere Erde unnötig belasten. Es gibt einige natürliche Dünger wie Kaffeesatz, Brennnesseljauche oder zermahlene Eierschalen, mit denen Du ebenfalls sehr gute Erfolge erzielen kannst.

    Wir haben unsere in Köln gemietete Ackerfläche gar nicht gedüngt und der Ertrag war sehr gut. Es kommt also auch ein wenig auf den Boden und die Anordnung der Pflanzen an. In Mischkulturen, der nachhaltigsten Art einen Garten anzulegen, gedeihen diese oft am besten.

    4. Natürliche Schädlingsbekämpfung

    Die natürlichste Art der Schädlingsbekämpfung erreichst Du durch das Anlegen von Mischkulturen. Das heißt Du pflanzt unterschiedliche Arten von Pflanzen nah beieinander. So stärken sie sich gegenseitig und Schädlinge können abgewehrt werden. Dabei gilt es darauf zu achten, welche Pflanzen gut zusammenpassen. Kartoffelpflanzen sind zum Beispiel oft vom Kartoffelkäfer befallen. Um dem direkt von Beginn an entgegen zu wirken, pflanzt Du mit der Kartoffelsaat Rainfarn in die Nähe. Zu Deinen Tomaten pflanzt Du am besten Kresse, die hält Läuse fern.

    Kartoffeln gedeihen besonders gut in Mischkulturen mit Rainfarn.

    Das Anlegen von Mischkulturen hat noch mehr Vorteile, so sind Misch- oder auch Permakulturen oft ertragreicher. Mehr Infos und Tipps zur natürlichen Schädlingsbekämpfung findest Du auf der Webseite des NABU.

    5. Einmachen, Einfrieren und Fermentieren – Lebensmittel haltbar machen

    Möchtest Du Dich wirklich komplett selbst versorgen, musst Du Dir auch überlegen wie Du geerntete Lebensmittel lagerst und wie Du ganzjährig gut versorgt bist.

    Obst beispielsweise wird nach der Reife abgeerntet und muss dann richtig gelagert werden, damit Du das ganze Jahr etwas davon hast. Äpfel, Zwiebeln und Kartoffeln kannst du gut im kühlen, trockenen, dunklen Keller über den Winter bringen. Verschiedene Gemüsesorten wie Möhren und Rote Beete kannst Du in extra dafür aufgeschütteter Erde oder Sand lange aufbewahren. Viele Lebensmittel kannst Du durch Einfrieren, Einmachen, Einkochen oder Fermentieren haltbar machen. Auch das erfordert wie die unbearbeitete Lagerung viel Platz und zusätzlich Zeit. Die Vorbereitung der richtigen Lagerung von Lebensmitteln ist genauso wichtig wie der Anbau.

    Einkochen für Anfänger - so werden Lebensmittel lange haltbar
    Durch Einkochen lassen sich Obst, Gemüse und andere Lebensmittel lange haltbar machen. Alles, was du brauchst, ist ein Topf und Schraub- oder Einmachgläser. Wir erklären, wie’s geht!

    Selbstversorgung erfordert einiges an Zeit und viel Wissen

    Bist Du noch völlig neu im Thema Gemüse- und Obstanbau, dann sammle erst einmal Erfahrungen. Möglicherweise gibt es im Freundeskreis jemanden, der sich schon großteils selbst versorgt und Du kannst dort einfach mal mithelfen. Nimm Dir ausreichend Zeit vorab, um Dich zu informieren, wie Du wann und wo etwas anbaust auf Deiner Anbaufläche. Sorge vorab für genügend Lagerflächen für Deine angebauten Lebensmitteln oder wenigstens dafür, dass die Lagerung möglich wäre.

    Du wirst jedes Jahr etwas Neues dazu lernen. Bis Du Dich wirklich zu 100 % selbstversorgen wirst, wird es ein paar Jahre dauern, in denen Du auch Rückschläge erleben wirst. Wir haben eine 100 m² Parzelle eines Feldes in Köln gemietet und in unserem ersten Feldjahr war 90 % der angebauten Bohnen nicht essbar. Zum einen wegen Schädlingsbefall und zum anderen, weil es lange zu heiß war und die Pflanzen zu wenig Wasser hatten.


    Selbstversorgung zu 100 % kann klappen, wenn...

    Du ausreichend Fläche zur Verfügung hast, Du die Möglichkeit hast alles ausreichend zu bewässern und, vor allem, Du genügend Zeit für die Pflege Deiner Pflanzen hast.

    Zu Hochphasen wirst Du ggf. alle zwei Tage mindestens zwei Stunden oder mehr an den Pflanzen arbeiten und zusätzlich auch noch Zeit für die Verarbeitung und Lagerung aufbringen. Auch die Vorbereitung für das Anpflanzen, die Lockerung der Böden usw. benötigt Zeit und vor allem auch körperliche Fitness.

    Das Leben als Selbstversorger*in ist also durchaus möglich, wenn all diese Kriterien zutreffen. Wenn ein oder mehrere davon nicht zutreffen, was wahrscheinlich für den Großteil unserer Bevölkerung gilt, dann ist eine Teil-Selbstversorgung möglich. Zum Beispiel nur mit dem eigenen Lieblings-Gemüse oder Obst im eigenen Garten oder Hochbeet. Oder wenn Du etwas mehr willst, versuche zumindest in den Sommermonaten von Deinen eigens angebauten Lebensmitteln zu leben.

    Klappt das Leben als Selbstversorger-Familie bei uns?

    Teilweise ja. Auf unserer gemieteten Ackerfläche in Köln können wir von April bis Oktober Gemüse anbauen. Von Juni bis September reicht das, um unseren Bedarf an Gemüse zu decken. Im Herbst gibt es dann noch einige Kürbisse vom eigenen Feld.

    Es ist nur möglich, den Acker jährlich für diesen Zeitraum zu mieten. Zudem können wir dort kein Obst anbauen. Da wir in unserer Kölner Wohnung auch keine Chance haben, Obst anzubauen, können wir mit unserem Acker nur einen Teil unseres Lebensmittelbedarfs decken. Für uns bietet unser Acker drei wundervolle Vorteile: Wir essen unser selbst angebautes Gemüse, wir sind viel draußen und unsere Kinder lernen von klein auf, wo Lebensmittel herkommen. Und deshalb ist es auch ok für uns, dass wir uns damit nur teil-selbstversorgen.