Geht’s um die Weltmeere, dann hätten wir schon vor Jahrzehnten genauer hinschauen sollen. Denn wer sie zerstört, zerstört sich selbst. Nachhaltigkeitsbloggerin Anna Schunck ruft auf zur aktiven Teilnahme an der World Ocean Week und erklärt uns, wie es um unsere Weltmeere wirklich steht, warum sie so wichtig sind und was wir eigentlich wirklich alles gerade auf’s Spiel setzen.

Das Meer – seit Corona für viele Sehnsuchtsort Nummer eins. Schenkt uns ein schöner Strand doch oft besonders schöne Stunden. Endlich Entspannung. Die Ruhe des Wassers überträgt sich so schön. Denn die alarmierende Aufruhr, die unter der Oberfläche tobt, zeigt sich nicht, wenn wir gemütlich an Land sitzen…

Heute ist World Ocean Day

Plastikflasche am Strand

Um zu erkennen, wie es um unsere Ozeane steht, hätten wir schon vor Jahrzehnten genauer hinschauen müssen. Stattdessen sind die schier endlosen Tiefen der Weltmeere für den Menschen bis heute ein Stück weit Mysterium geblieben. Ein Mysterium, auf dessen Bedürfnisse, Schutz und Erhalt nie genügend Wert gelegt wurde. Wie fahrlässig das ist, daran erinnert jedes Jahr der World Ocean Day – und auch aktuell wieder die World Ocean Week mit verschiedenen Veranstaltungen und Aktionen im Netz.

Warum die Ozeane so wichtig sind

Dass es sich dabei keineswegs um eine Special-Interest-Idee handelt, ist in einem Satz erklärt: Ohne Ozeane kein menschliches Überleben. Wir sind abhängig von gesunden Meeren. Sie lassen uns atmen. Sie nähren uns. Rund die Hälfte allen Sauerstoffs in unserer Atmosphäre wird nicht von Pflanzen, sondern von mikroskopisch kleinen Algen und photosynthetischen Bakterien im Meer gebildet. Gleichzeitig geht den Gewässern selbst die Luft zunehmend aus. Das geht laut der Zeit aus einem Bericht hervor, den die Weltnaturschutzunion (IUCN) vergangenes Jahr auf der Weltklimakonferenz in Madrid vorstellte.

Die Problematiken

Zum einen heizt sich das Meerwasser infolge des Klimawandels auf, wodurch es dann tendenziell weniger CO2 enthält. Zum anderen verschmutzten Nährstoffe aus Fischzuchten oder von landwirtschaftlichen Düngemitteln die Gewässer, was das Algenwachstum in den Küstenregionen stark befördere. Wenn sie absterben, entziehen sie dem Wasser Sauerstoff. Und uns.

Das ist möglicherweise das letzte Alarmsignal, das wir von dem unkontrollierten Experiment bekommen, das die Menschheit in den Ozeanen der Welt ausgelöst hat.

Dan Laffoley, Meeresbiologe und Mitherausgeber des IUCN-Berichts

Die Frage ist: Werden wir darauf hören? Wir sollten, auf die Gefahr hin, dass wir uns hier wiederholen: Im eigenen Interesse! Denn wem die Luft zum Atmen als möglicherweise schwer vorstellbares Argument hier nicht ausreicht, der konzentriere sich bitte auf ein akutes Thema: die Plastikverschmutzung. Die können wir mittlerweile nämlich an vielen Stränden schon sehen, wenn wir uns ein paar Meter vom Handtuch weg ins flache Wasser begeben. Wo’s klar ist, ist es oft auch bunt. Bunt von kleinen Kunststoffteilchen. Und die wiederum sind selbst nur ein kleines Teilchen des gigantischen Problems.

Bunte Plastikteile am Strand
Plastikteile, die am Strand angeschwemmt werden, sind nur die Spitze des Eisbergs.

Ein Teppich aus Plastikmüll so groß wie Mitteleuropa - aber nicht der einzige!

Der Teppich aus Plastikmüll, der seit Jahren im Nordpazifik zwischen Kalifornien und Hawaii schwimmt ist schätzungsweise so groß, wie Mitteleuropa. Ein Fakt, der das Wort Teppich als Beschreibung eigentlich viel zu niedlich und flauschig erscheinen lässt. Denn dieser Fakt ist hart und eklig. Und dieser Plastikteppich im Nordpazifik ist zwar der ausladendste – aber nicht der einzige. Im Südpazifik, Atlantik, Mittelmeer und im Indischen Ozean gibt es vier weitere Inseln oder besser Strudel, die durch kreisende Strömungen von Wind und Wasser die Wegwerfprodukte der Wohlstandsgesellschaft zusammenhalten. Vier Flächen aus Müll, die so riesengroß sind, das man sie vom Weltall aus sehen kann und das zum Teil gleich mehrere Länder darauf Platz finden würden.

Und das eigentliche Problem liegt darunter

Was man von oben oder außen nicht sehen kann? Das eigentliche Problem liegt darunter. Hart aber is’ so: Die Plastik-Teppiche machen nur 1 Prozent des Kunststoff-Mülls im Meer aus. Richtig, ein lächerliches Prozent. Der Rest treibt im tieferen Wasser herum und / oder sammelt sich zum Großteil am Meeresboden: Bis zu 1,9 Millionen winziger Plastikteilchen finden sich einer aktuellen Studie zufolge in einem Quadratmeter Meeresboden. Das sei der höchste jemals gemessene Wert, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin Science.

Es ist bedauerlich, aber Plastik ist zu einer neuen Form von Sediment-Partikel geworden, das zusammen mit Sand, Schlamm und Nährstoffen über den Meeresboden verteilt wird

Studienleiter Florian Pohl von der britischen Durham University

Es sei bekannt, dass Bodenströmungen Sauerstoff und Nährstoffe verteilten. Wo diese sich sammelten, entstünden Hotspots der Artenvielfalt. Ausgerechnet in diesen wertvollen Ökosystemen landeten nun auch große Mengen Mikroplastik.

Mikroplastik

Mikroplastik entwickelt sich über Jahrzehnte auch aus den größeren Gegenständen und Stückchen der insgesamt rund 10 Millionen Tonnen Plastik, die jährlich in den Weltmeeren landen. Ein großer Teil davon gelangt vom Land ins Wasser. Über die Flüsse oder unser Abwasser zum Beispiel, in dem winzige Partikel aus Kosmetikprodukten oder Textilien schwimmen.



Sogar das sogenannte Liquidplastic, gern genommen zum Beispiel als Filler in der Anti-Falten-Creme, ist in Deutschland und vielen anderen Ländern noch erlaubt. Beim Gesicht oder Wäsche waschen, Zähneputzen, Peelen oder Putzen mit konventionellen Produkten gelangt im Zweifel also völlig legal immer mehr Müll in unser Meer. Und weil Plastik so weit verbreitet ist, dass es sich sogar in unserer Kleidung befindet, lösen sich auch in der Waschmaschine feine Fasern und Kleinstteilchen aus den Polyester-Teilen ab.


Alles Mikroplastik fließt irgendwann in Richtung irgendeines Ozeans. Und alles bleibt quasi für immer im Kreislauf.

Der Mensch vergiftet sich damit quasi selbst

Means: Vermüllung der Meere hat weit mehr Folgen, als „nur“ Seevögel, die sich in alten Fischernetzen verheddern, Meeresschildkröten, die an Eislöffeln, leeren Feuerzeugen, Einmalrasierern oder Zahnbürsten ersticken. Das gefährlichste Plastik ist das kleine, kaum sichtbare, das Plastik, das von allerlei Tieren und Organismen gefressen wird. Weil sie den Müll mit Nahrung verwechseln. Und weil sie keine andere Wahl haben: Mittlerweile gibt es mehr Plastik in unseren Meeren als Plankton.

Und natürlich ist es so längst auch in unserer Nahrungskette angekommen. Inklusive der giftigen Chemikalien, die beispielsweise als Weichmacher oder Flammschutzmittel oft im Plastik enthalten sind. Steckt alles im Fisch, den wir essen, im Gieß- oder Grundwasser und damit auch auf unserem Obst und Gemüse, ist mittlerweile sogar schon in unserem Trinkwasser enthalten. Wir nehmen’s genau so nichtsahnend auf, wie die Organismen im Ozean – und langsam aber sicher vergiften wir uns damit quasi selbst. Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass die Plastikmenge, die wir im Schnitt aktuell so aufnehmen, einer Kreditkarte pro Woche entspricht. Guten Appetit!


Setzt euch ein!

Ach, der ist Euch vergangen? Uns auch. Dafür steigert sich das Interesse, die Notwendigkeit, sich diese Woche wirklich einzusetzen. Am besten, wie so oft, mit dem Schärfen des eigenen Bewusstseins, mit Weiterbildung, Interesse und Grundlagenwissen, die wir dann alle in kritischen Gesprächen oder auf Social Media weitergeben können. Oder als fundierte Empfehlung an entsprechende Stellen beziehungsweise unsere Politik. Eine Übersicht aller Symposien, Summits, Diskussionen und Events auch über den World Ocean Day und die World Ocean Week hinaus, gibt es hier. Alle, die aktiv Aktionen planen oder relevante Petitionen zum Thema unterzeichnen wollen, bekommen auf der offiziellen Homepage sowie die Hashtags #worldoceanday und #portectourhome mehr Informationen. Macht mit! Für weitere Jahre voll unbeschwerter Entspannung am Strand. Für unsere Ozeane. Für unseren Lebensraum. Für uns selbst. Für unsere Kinder. Und für einen Systemwandel mit verbindlichen Richtlinien.

Denn jeder noch so kleine Hauch von Plastik, den wir jeden Tag so wegwerfen oder wegspülen ist potenziell ja nicht wirklich weg – nur woanders.