Brauchen wir heute eigentlich noch ein eigenes Auto? Wie man diese Frage beantwortet, hängt in Deutschland sehr wahrscheinlich davon ab, ob man in einer Stadt oder auf dem Land wohnt. Die Nachhaltigkeitsexperten Anna und Marcus von Viertel Vor haben für uns verschiedene Shared Mobility Lösungen kritisch auf Herz und Nieren getestet. Was lohnt sich? Von was raten sie ab? Ihr Fazit findet ihr in diesem Blogbeitrag.

Da wir den Großteil unserer Zeit in Berlin verbringen, lautet die städtische Antwort auf diese Frage bei uns: Nein. Unser Auto steht nämlich wie jedes andere durchschnittlich 94 Prozent seiner theoretisch nutzbaren Zeit nur herum. Damit nimmt es mit das wertvollste weg, was Städte überhaupt haben: Platz. Und das ganz selbstverständlich und meistens sogar auch noch kostenlos. Für uns gibt es deswegen mindestens 94 Prozent Optimierungsbedarf. Denn wir hätten jede Menge Ideen für neue Radwege, Blühstreifen und Spielstraßen, die unsere Innenstädte lebensfreundlicher machen würden. Das Dilemma: die Zulassungszahlen der privaten PKW steigen in Deutschland immer weiter an. Wie kommen wir da wieder raus?

Shared Mobility im Test
Anna und Marcus von Viertel Vor haben für uns Shared Mobility Lösungen in Berlin unter die Lupe genommen.

Eine Antwort ist für uns Shared Mobility: Weg vom Privatwagen – hin zur geteilten Mobilität. Wenn alle mitmachen würden, bräuchten wir viel weniger Autos in der Stadt. Und die, die es gibt, würden die meiste Zeit tatsächlich fahren, statt irgendwo sinnlos herumzustehen. Welche Möglichkeiten Shared Mobility heute bietet zeigt sich am besten bei uns vor der Haustür in Berlin. Wir sagen Dir, was wir von den einzelnen Angeboten halten.


Fahrrad - #1

Das Fahrrad ist für uns das beste Fortbewegungsmittel in der Stadt. Keine nervige Parkplatzsuche, am Stau vorbei rollen, Abkürzungen links und rechts nehmen und eben vor allem am umweltfreundlichsten und gesündesten. Nervig wurde es vor ein paar Jahren, als unzählige Start-Ups die Innenstädte mit ihren Leihrädern überflutet haben. Die Reaktionen der Bevölkerung war entsprechend: wahlweise flogen die Räder in den Kanal, hingen auf Bäumen oder wurden einfach übereinander gestapelt. Zum Glück hat sich der Konkurrenzkampf mittlerweile ein bisschen geklärt und es sind ein paar gute Alternativen, wie zum Beispiel Nextbike oder Jump übrig geblieben [unbezahlte Werbung].

Wer kein eigenes Fahrrad besitzen möchte, aber nicht immer erst nach einem Rad in der Nähe suchen will, für den bietet sich das holländische Unternehmen Swapfiets an [unbezahlte Werbung]. Hier kann man sich ein Rad inklusive Reparaturservice auch für ein halbes oder ganzes Jahr mieten.

Motor-Roller - #2

Motor-Roller Shared Mobility

Motor ist vielleicht nicht der passende Name. Schließlich haben die meisten Roller keinen Motor mehr, sondern einen Akku. Dafür lieben wir die kleinen Flitzer. Sie machen Spaß zu fahren und vor allem auf dem Weg zum Business Termin vermeidet man unansehnliche Schweißflecken. Nachdem Coup letztes Jahr seinen Dienst eingestellt hat, hat der Stehroller Anbieter Tier die alten Sitz-Roller übernommen. Die Konkurrenz dazu sieht orange aus, kommt im Retro Look und hört auf den Namen Emmy [unbezahlte Werbung]. Der Vorteil hier: es gibt genügend Platz für zwei Personen und deswegen auch zwei Helme.


Steh-Roller - #3

Nach der Fahrrad-Flut kam die Roller-Flut. Same Same, but different. Das Chaos in den Städten war perfekt, weil es zunächst gar keine klaren Regeln gab, wo die kleinen Flitzer überhaupt fahren durften. Und selbst heute machen die Steh-Roller für uns vor allem eins: nerven. Denn egal ob auf dem Fußweg, der Straße oder dem Radweg. Sie sind immer irgendwie im Weg. Und dazu auch noch überhaupt nicht nachhaltig. Denn ihre durchschnittliche Lebensdauer beträgt gerade mal zwischen einem und drei Monaten. Bei so wenig Nutzen für eine bessere Mobilität verzichten wir gern.


Auto - #4

Kurz selbst einen Mietwagen zu nehmen, hat bei uns das Taxifahren ersetzt. Wichtig dabei: Wir nehmen nur Elektroautos. Die machen Spaß zu fahren und sind natürlich viel umweltfreundlicher, wenn sie mit Ökostrom geladen werden. Unser Favorit hier: WeShare*. Das Angebot von VW findet sich überall in Berlin, die App ist einfach zu bedienen, man braucht keine extra Karte und wir fahren eben elektrisch. Andere Angebote in der Hauptstadt sind zum Beispiel ShareNow* von Daimler und BMW, Miles oder SixtShare*, die mit besonders günstigen Minutenpreisen den Markt erobern wollen.

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Ridesharing - #5

Eine spannende Entwicklung gibt es für uns im Bereich Ridepooling. Ähnlich wie beim Taxi, wird man hier am Wunschort abgeholt. Der Unterschied ist, dass auf dem Weg von A nach B weitere Fahrgäste ein- und aussteigen können. Den effizientesten Weg ermittelt dabei ein Algorithmus. Damit sind die Umwege und damit der Zeitaufschlag nur minimal. Oft gibt es Ridepooling zum günstigen Festpreis. In Berlin gibt’s dafür zur Zeit vor allem CleverShuttle* und den BVG eigenen Berlkönig*, in Hamburg die VW Tochter Moia*.

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Ridepooling
Ridepooling - eine neue Art der Fortbewegung

Besonders spannend wird dieses Angebot, wenn man ein bisschen in die Zukunft schaut. Denn sobald unsere Autos autonom fahren, werden unzählige Carpooling Fahrzeuge durch unsere Städte fahren, um Gäste an ihren Wunschort zu bringen.


Öffentliche Verkehrsmittel - #6

ÖPNV

Old-School, aber immer noch effektiv und effizient: unser lieber ÖPNV. Nirgendwo sonst passen so viele Menschen in ein Fahrzeug und kommen so sicher und günstig durch die Städte und übers Land. Wir sind für einen weiteren Ausbau und Subventionen für günstigere Tickets. Damit noch mehr Menschen ihr Auto stehen lassen, damit wir weiter CO2 einsparen und damit unsere Städte wieder lebensfreundlicher werden.


Shared Mobility ist für uns noch lange nicht da, wo es sein könnte

Viele verschiedene Start-Ups kämpfen zur Zeit um Anteile in ihrem Segment. Das führt dazu dass, viele Anbieter noch nicht wirtschaftlich arbeiten können und früher oder später nicht mehr mithalten können. Entscheidend für ein profitables Geschäft dürften hierbei die Betriebskosten sein. Denn: Wartung, Akkuwechsel, Reinigung und Reparatur müssen noch von Hand gemacht werden. Das ist aufwendig und kostet die Unternehmen viel Geld. Wer es hier schafft, ein effizientes System aufzubauen hat eine Chance.

Beim Thema Auto wird es sogar noch spezieller. Wenn die großen Anbieter ShareNow und WeShare das Thema SharedMobility wirklich ernst meinen, müssten sie ihre ganze Lobby-Kraft auch dafür nutzen, dass ihre Angebote in den Städten attraktiver werden. Und das geht nur, wenn sie sich dafür einsetzen, die Innenstädte autofrei zu machen. Für uns ist es fraglich, ob die alten Automobilhersteller für Shared Mobility so weit gehen würden. Wenn sie Mobilität jedoch wirklich in die Zukunft denken, dann steht da irgendwo ganz groß “Autonomes Fahren”. Und dafür wird jetzt mit all den Daten, die aus der Shared Mobility” gewonnen werden der Grundstein gelegt. Irgendwann wird es wie beim Fliegen sein. Da interessiert es uns auch nicht, ob wir Airbus oder Boeing fliegen, sondern Lufthansa, Swiss, Emirates oder ein anderer Anbieter. Mit welchem Auto wir von A nach B kommen, dürfte uns bald egal sein. Wichtig wird, wie die Infrastruktur, die Nutzerfreundlichkeit, Sicherheit und Sauberkeit dahinter aussieht. Was es dafür braucht ist der politische Wille, in den Städten aufzuräumen und die Dominanz der alten individuellen Mobilität zu überwinden.

Rad- und Fußwege first, dann ein guter und preiswerter ÖPNV, schließlich Shared Mobility Angebote, die tatsächlich breit genutzt werden und erst irgendwo am Ende der Kette Privatfahrzeuge. Das würde unseren verstopften Innenstädten tatsächlich helfen attraktiver, lebensfreundlicher, gesünder und natürlich umweltfreundlicher zu werden. Wir freuen uns drauf.